24. Februar 2022
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dlh aktuell

Hamburgs Bildungsqualität und Chancengleichheit gefährdet ...

Lehrkräfte- und Personalmangel viel dramatischer als befürchtet!

VBE Hamburg zur Veröffentlichung der Klemm-Studie 02.2022

Der dlh kritisiert seit Jahren die Einstellungspraxis im Schulbereich in Hamburg, weil der tatsächliche Personalbedarf an Schulen und in Kitas bundesweit deutlich höher ist als von der Kultusministerkonferenz (KMK) angenommen.

Diese Kritik wurde nun im Januar 2022 durch eine bundesweite, vom VBE initiierte und von Prof. Klaus Klemm durchgeführte Studie erhärtet. Deutschlandweit fehlen schon jetzt Lehrkräfte, Sonderpädagogen und Erzieher in allen Schulformen. Die KMK benennt eine Lücke von immerhin 14.000 Lehrkräften bis 2030. Die vom VBE  in Auftrag gegebene Studie von Prof. Klaus Klemm weist nun fundiert nach, "dass mehr als 80.000 Lehrkräfte bis 2030 fehlen werden und mittelfristig keine Personalreserve zu finden ist", um diesen Bedarf zu decken.

Dieses Problem wird von verantwortlichen Ministerien und der Politik verharmlost und verschleiert. Der wachsende Nachwuchs- und Fachkräftemangel im gesamten Bildungswesen gefährdet massiv die Bildungsverläufe der Kinder und Jugendlichen.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Schon heute werden Junglehrer, Erzieher und PTFs von einigen Bundesländern aus anderen abgeworben, Prämien versprochen, Pensionäre rekrutiert und unterschiedliche Varianten zum Quereinstieg praktiziert. An vielen Schulen ist der Unterrichtsbetrieb nur mit Lehraufträgen aufrecht zu erhalten, die an nicht qualifizierte Personen vergeben werden. Der Konkurrenzkampf zwischen den Bundesländern um Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte ist bereits Realität.

Längst sind Elternräte in anderen Bundesländern wie NRW, Sachsen und Bayern alarmiert, denn der Lehrermangel verschärft sich auf dem Land und in Brennpunkten rapide, Regelunterricht, Lern- und Förderangebote können nicht mehr gewährleistet werden. Elternverbände und Schulträger machen mit symbolischen Schulschließungen und gemeinsamen Plakat-Aktionen (MDR Sachsen, 27.01.2022, 11 Uhr) darauf aufmerksam.

In Hamburg bedeutet das, dass Brennpunkt-Schulen es schwer haben werden, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Dies ist für Schulleitungen immens belastend und beschert den Kollegien hohe Arbeitsbelastungen.

Wertvolle pädagogische Errungenschaften sind gefährdet. Hamburgs Schulleitungen berichten seit mehreren Jahren, dass Bewerberzahlen deutlich zurückgehen, Stellen lange unbesetzt bleiben und Vertretungsreserven längst ausgeschöpft sind. Diese Problematik zeigt sich in allen Schulformen und allen Stadtteilen, nicht nur in sozial-schwachen Standorten.

Bekannt ist auch, dass wichtige Funktionsstellen wie Schulleitungen, Fachleitungen, Koordinationsstellen im Ganztag oder der Förderkoordinatoren nicht besetzt werden können. Auch Fachlehrkräfte für bestimmte Fächer sind nicht mehr verfügbar. Dies trifft im besonderen Maße kleine Schulen, Grundschulen sowie Standorte in Randgebieten oder sozialen Brennpunkten. Der Hinweis von Bildungssenator Ties Rabe auf die Attraktivität Hamburgs für Studierende schafft keine Abhilfe, denn die zahlenmäßige Aufstockung der Referendariatsstellen ist unzureichend.

Auch in Hamburg sind Bildungsgerechtigkeit und Bildungsqualität erheblich gefährdet. Die Auswirkungen der Pandemie haben gezeigt, wie knapp die Personaldecke in Hamburg ist. Randstunden mussten gestrichen werden, Stundentafeln wurden um "kleine Fächer" wie Religion, Sachunterricht reduziert. In den MINT-Fächern fiel der Unterricht vielerorts ganz aus. Ganztagsangebote, Sprachförderung oder inklusive Beschulung mit Doppelbesetzungen wurden heruntergefahren, um Vertretungsnotstände auszugleichen.

All dies zeigt eine jahrelange Fehleinschätzung unserer zuständigen Bildungspolitiker. Leidtragende sind die überbelasteten Kolleginnen und Kollegen sowie unterversorgte Schülerinnen und Schüler. Folglich wird es benachteiligte Kinder besonders hart treffen, denn soziale Brennpunkte sind und bleiben große Verlierer im Kampf um gut ausgebildetes Personal. Die Politik muss Gelingensbedingungen schaffen, die die Attraktivität des Lehrberufes steigern! Dauerhafte Personalengpässe, Entgrenzung von Arbeitszeit, mangelnde Anerkennung und erhebliche gesundheitliche Belastungen verschärfen den Konkurrenzkampf um gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte.

Der dlh fordert daher von der Politik ein ehrliches Eingestehen der Fehlkalkulation beim Lehrkräftebedarf. Kreative und mutige Lösungsvorschläge müssen erarbeitet werden, um dieser Herausforderung begegnen zu können. Nicht erst seit Corona leisten Lehrkräfte und Pädagogen erhebliche Mehrarbeit, um Schulen offen zu halten. Schon vorher haben sie sich über ihre Aufgaben hinaus engagiert, um Lernlücken zu schließen und die Schulentwicklung im Bereich der Digitalisierung, des Ganztags und der Inklusion voranzutreiben. Das darf kein Dauerzustand bleiben.

Der dlh wird sich in die Diskussion darüber einschalten. Die Daten der Studie des Bildungsforschers Prof. Klemm können über den dlh bezogen werden.

Der Vorstand
die Lehrergewerkschaften Hamburg (dlh)

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