15. September 2020
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Aktuelle Gerichtsurteile

Vier bedeutsame Gerichtsurteile

Die nachstehend angeführten Gerichtsurteile haben für Lehrkräfte eine herausgehobene Bedeutung:

1. Pauschale Reisekostenerstattung ist rechtswidrig

Der Erlass des Hessischen Kultusministeriums, nach dem die Kosten von Lehrkräften auf Auslands­klassenfahrten pauschal und ungeachtet der tatsächlichen Kosten abzugelten sind, wurde vom Veraltungsgericht Gießen mit Urteil vom 05.03.2020 kassiert.

Eine Englisch-Lehrerin hatte mit ihrem Leistungskurs eine Abschlussfahrt nach London unternommen und danach von der Bezügestelle die Erstattung aller ihr dadurch entstandenen Kosten verlangt. Diese lehnte das Anliegen mit Verweis auf den Ministeriumserlass ab und gewährte ihr lediglich einen Pauschbetrag von 40 € pro Tag.

Das Verwaltungsgericht vertrat allerdings die Rechtsauffassung, dass bei der Pauschalierung das unterschiedliche Preis- und Kostenniveau der einzelnen Länder und Regionen weltweit nicht hinreichend berücksichtigt werde und deshalb der Lehrerin eine Reisekostenerstattung nach den Regelungen des hessischen Reisekostengesetzes i.V.m. der Auslandsreisekostenverordnung zustehe. Die dort festsetzten Höchstbeträge liegen deutlich über dem Betrag, der von der Lehrerin beansprucht wurde. Deshalb ordnete das Gericht die Auszahlung des Differenzbetrages zwischen Istkosten und pauschal angerechneten Aufwendungen an.


2. Zumutbarkeit des Präsenzunterrichts auch für ältere Lehrkräfte

Ein 62-jähriger Berufsschul­lehrer rief das Arbeitsgericht an, weil er die Rechtmäßigkeit seines unterrichtlichen Einsatzes verneinte. Seiner Meinung nach sei er damit aufgrund seines Alters unzumutbaren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt, was zudem überflüssig ist, weil der von ihm zu erteilende Förderunterricht nicht zwingend in Präsenzform notwendig sei.

Das sah das Arbeitsgericht Mainz anders: Es stellte mit seinem Beschluss vom 10.06.2020 zum Verfahren 4 Ga 10/20 fest, dass während der Corona-Pandemie auch für ältere Lehrkräfte (mit im Zweifel erhöhten COVID-19-Krankheitsrisiken) die Verpflichtung zur Erteilung von Präsenz­unterricht besteht.

Grundsätzlich haben die Schulleitungen einen Ermessens­spielraum, wie sie den Gefahren der COVID-19-Pandemie begegnen wollen. Aufgabe der Gerichte ist nicht, vorab zu entscheiden, welche Lehrkraft wie eingesetzt werden könne.


3. Kein Rechtsanspruch auf vorzeitige Beendigung des Sabbatjahrs wegen Corona

Beeinträchtigungen durch die COVID-19-Pandemie rechtfertigen regelmäßig nicht den Abbruch eines Sabbatjahres (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.07.2020
- 6 B 925/20 -).

Zwei Lehrkräfte, die sich im Sabbatjahr auf Weltreise begeben hatten, beantragten Anfang April 2020 per E-Mail von Australien aus die vorzeitige Beendigung des Freistellungjahres. Sie begründeten dies mit der pandemiebedingten Entwertung ihrer Freistellungszeit.

Nachdem ihre Anträge von den zuständigen Behörden abgelehnt wurden, riefen sie die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Gelsenkirchen mit Eilanträgen an.  Allerdings ohne Erfolg. Denn nach Auffassung beider Gerichte lässt sich aus den maßgeblichen Vorschriften des Landesbeamtenrechts nicht ableiten, dass die Antragsteller besondere Härtefälle sind, denen die Fortsetzung ihrer Teilzeitbeschäftigung unzumutbar sei.

Der bloße Hinweis auf die Unmöglichkeit der Durchführung der planmäßigen Fortsetzung ihrer Weltreise ist nach Auffassung der Verwaltungsgerichte nicht hinreichend überzeugend. Schließlich sei es Lehrkräften (wie anderen Bürgern auch) zuzumuten,  ihre private Lebensplanung an die COVID-19-Einschränkungen auszurichten. Die dagegen gerichteten Beschwerden hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen, womit die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte unanfechtbar sind.


4. Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses

Nimmt der Vorsitzende des Betriebsrats an einer Betriebsratssitzung teil, obwohl er  (gemäß Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) arbeitsunfähig ist, sind die auf dieser Sitzung gefassten Beschlüsse unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.07.2019, 1 ABR 5/19).

Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, das arbeitsunfähig erkrankt ist, ist auch amtsunfähig und damit verhindert. Nimmt der verhinderte Vorsitzende des Betriebsrats an einer Betriebsratssitzung teil, führt dies zur Unwirksamkeit eines darin gefassten Beschlusses (Az. 1 ABR 5/19).